Hallo Zusammen,
was für ein schöner Erfahrungsbericht über Aimy. Vielen Dank Astrid!
Ich hatte Aimy ehe sie nach Deutschlad kam ein paar Wochen auf Mallorca als Pflegehund und sie war das ängstlichste Tier, dass ich bis dahin und seither näher erlebt habe.
Aber das war einmal! - und ich finde Aimy ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie positiv sich ängstliche und unsichere Hunde entwickeln können.
Und Carlos hat - denke ich - bessere Voraussetzungen als Aimy diese hatte, da er einfach bisher ausser dem Leben auf der Welpenstation nichts kennengelernt hat. Und gut - das sind zwar wenig Erfahrungen - aber dafür keine Schlechten. Ich denke seine ängstliche, unsichere Haltung resultiert daraus, dass "ängstlich sein" eine angeborene Verhaltensweise ist, d.h. das kann der Hund vielleicht ohne es zu erlernen. Andere Reaktionen auf neue Situationen muss er erst lernen.
Ich denke auch, dass hier die Zeit und Geduld der lieben Pflegeeltern zusammen mit sicherer Führung durch diese, den Carlos zu einem selbstsicheren Hund machen können.
Zum Thema, wie lernt Hund Ängste und Unsicherheit abzulegen, habe ich kürzlich eine interessante Erfahrung gemacht, die ich noch (schnell:-) schreiben möchte. An dem Beispiel sieht man toll, dass es wirklich der MENSCH ist, der einem unsicheren Hund Sicherheit geben kann.
Also meine Viszla-Hündin Luna (6), habe ich damals aus schlechter Haltung mit fünf Monaten zu mir geholt. Bis dahin lebte sie in einer Pferdebox (aus der vielleicht ein ausgewachsenes Pferd rausschauen konnte aber eben kein Hund).
Die anderen ihres Wurfs waren schon längst verkauft aber Luna war zu klein, zu mickrig, zu dünn und zu ängstlich und somit auch mit fünf Monaten noch ohne Besitzer und allein in der Box.
So nun kam der Hund mit all seinen Erfahrungen und Erlebnissen aus der Pferdebox zu mir in die Innenstadt von München. Lärm, Autos, Menschen, Hunde, Chaos und Luna mittendrin!
Um abzukürzen: Luna hat viel gelernt und vor vielen Dingen überhaupt keine Angst mehr wurde zum richtigen Wirbelwind ABER bis vor kurzem war sie noch absolut panisch bei Gewitter, Feuerwerk, Windrascheln der Blätter am Baum!!.
D.h. sobald beim Spaziergang Wind oder Gewitter aufzogen, war Luna nicht mehr abrufbar, hat sich mit eingeklemmter Rute ins nächste Gebüsch versteckt und beim Feuerwerk ist sie panisch im Haus umhergetigert und wollte sich in die engsten Ecken verkriechen.
Da ich das bei Luna bis dahin mit meinem Hunde-Know-How nicht besser hinbekommen habe, war das eben so. Auch unsere völlig
e und schmerzbefreite Pastor Mallorquin-Hündin, die vor gar nix Angst hat und keinerlei ängstlicher Regung bei Gewitter o.ä. zeigt, konnte Luna nicht "helfen" und Luna hat sich von ihr auch kein angstfreies Verhalten abgeschaut.
Ich gab ihr zur Beruhigung Bachblüten bei Feuerwerk und hab ähnliche Versuche gestartet ihr zu helfen aber so wirklich hat nichts geholfen.
Seit wir von Mallorca zurückgezogen sind, gehe ich in die Hundeschule. Eigentlich mit Sunny (unserer Pastor-Mallorquin-Hündin) weil die sehr territorial ist und bei Hundebegegnungen in der Stadt nicht mehr zu halten war..... (anderes Thema).
Damit die Luna aber nicht weniger "gefördert" wird, hat sich dann mein Mann auch in die Hundeschule mit ihr angemeldet (obwohl Luna ja alles brav macht - solange kein Gewitter o.ä. kommt).
Und der deutsche Sommer hat es dann mit sich gebracht, dass fast bei jeder Hundeschulenstunde entweder nur die Bäume um uns herum wild geraschelt haben oder sogar Donner zu hören war.
Das waren natürlich katastrophale Trainingsbedingungen für Luna. Rute eingeklemmt, zittern am ganzen Körper, Verweigerung von Leckerlis, Fluchtversuche ins Gebüsch waren ihre Reaktionen.
Daraufhin haben wir dann die Hundetrainerin gefragt: "Sollen wir Luna schon mal ins Auto bringen"? Denn im Auto in ihrer Box fühlte sie sich immer sicher und das war bis dahin unsere (ahnungslose) Lösung für das Problem: "Schlechtwettereinbruch während Spaziergängen".
Die Antwort der Trainerin war: "NEIN, leine Luna an und mach mit ihr das Training weiter. Geb ihr Bestätigung wenn sie mitläuft und dich anschaut und ignoriere konsequent ihr Zittern und Bangen". Das hört sich für viele total simpel und easy an aber meine Erfahrung bisher war, dass wir auf Ängste des Hundes immer zu sensibel reagiert haben (obwohl ich schon wusste, in der Theorie: "Ängste ignorieren... " aber die Umsetzung hat irgendwie nicht geklappt).
Wir haben dann in der Hundeschule gelernt und umgesetzt:
Der Hund darf keinerlei Bestätigung für Angstverhalten bekommen - der Mensch darf auch kein Mitleidsgefühl oder so etwas in der Art ausstrahlen.
Und das ist zunächst sehr schwer, wenn man doch den armen, zitternden, unsicheren Hund neben sich hat.
Und mein Mann hat dann durchgezogen, was ich jahrelang nicht richtig hinbekommen hab: trotz Donner und wildem Blättergeraschel haben die Zwei ihre Übungen gemacht: bei Fuß, Sitz und das ganze Programm, nur bei der Freifolge blieb Luna anfangs an der Leine, damit sie nicht ins Gebüsch abhauen konnte. Es gab schön Lob, sobald sie sich zu ihm hinorientiert hat und "kalte Ignoranz" für "Hosenvoll-Verhalten".
So, einen verregneten, stürmischen und donnerreichen Sommer später, zeigt Luna ein völlig anderes Verhalten. Sie läuft mit, auch wenn´s stürmisch und gewittrig wird. Sie orientiert sich hin zu meinem Mann und will nicht mehr weg ins Gebüsch. Sie klemmt zwar immer noch die Rute ein aber sie schaut meinen Mann an und läuft tapfer neben ihm her und man hat den Eindruck, dass ihre frühere Reaktion "ins Gebüsch laufen und verstecken" von ihrer Festplatte gelöscht wurde und ersetzt wurde durch: "ich lauf neben meinem Herrchen her, schau ihn an und staub dafür auch mal ein Leckerli ab".
Und seit zwei Wochen gibt´s bei uns jeden Donnerstag ein riesiges Feuerwerk im Olympiapark. Und Luna rennt nicht mehr hechelnd und rastlos durch die Wohnung auf der Suche nach einem Versteck, sondern legt sich zu uns (eigentlich mehr zu meinem Mann) und ist VÖLLIG entspannt. Erst gestern abend war´s wieder soweit (Feuerwerk) und für uns ist es wie ein Wunder, dass der Hund so gelassen ist. Sie hebt nicht mal mehr den Kopf um zu sehen was da los ist.
Also an alle Herrchen und Frauchen von unsicheren Hunden:
Wir haben gelernt und bei uns hat geholfen:
Dem Hund (ganz konsequent) eine Alternative für ängstliches Verhalten anbieten und angewöhnen.
Beim Spazierengehen sicher und unbeeindruckt bei sich führen und sobald sich der Hund auf einen konzentriert oder einen anschaut loben und bestätigen.
Sobald er Angstverhalten zeigt, keine oder eher eine negative Reaktion zeigen.
Im Haus soll der Hund bei seinem Rudelführer oder in seinem Körbchen bleiben und dort Bestätigung und Lob erfahren. Ängstliches Verhalten unterbrechen, indem man den Hund eben zu sich ruft und hinlegen lässt oder ihn in sein Körbchen bringt.
Bei uns war es so, dass Luna zu Hause auf einmal von selbst zu uns gekommen ist, sobald irgendwas gekracht oder gedonnert hat. Sie hat durch die Übungen draussen wohl gelernt, dass es am besten ist, zum Herrchen zu gehen, wenns brenzlich wird.
Ich bin keine Hundetrainerin aber aus meinen Erfahrungen weiss ich nun, dass man als Mensch den Hund aus seinem ängstlichen Verhalten "herausholen" sollte und ihn nicht sich selbst überlassen und darauf hoffen, dass sich alles von selbst mit der Zeit gibt.
Ich denke, schneller und effektiver kann der Hund seine Unsicherheit abbauen, wenn Mensch das "Unsichersein" unterbricht und ihm etwas anderes dafür angewöhnt.
In der Umsetzung kann man so etwas sagen wie: "schau her, komm zu mir, konzentrier dich auf mich, neben sich Platz machen lassen" - und dann ein Leckerli anbieten. Das Leckerli wurde von Luna x-mal verweigert aber mittlerweile, holt sie sich ihre Belohnung ab :-)
Ich könnte mir vorstellen, dass so ein Vorgehen ("Unsicherheitsverhalten unterbrechen") auch so "erfahrungsarmen" Hunden wie Carlos helfen könnte, die einfach nur ängstlich reagieren, weil sie das Verhalten instinktiv können und noch kein anderes Verhalten "gelernt" haben.
In diesem Sinne,
viel Geduld, Freude (auch an kleinen Fortschritten) und Erfolg für alle Pflegestellen, die mit ängstlichen Hunden arbeiten und
spezielle Grüße und Dank an die Pflegeeltern von Carlos,
Steffi